Boubacar Traoré
«Eine Ikone, eine Legende in Mali: Diamant, Unikat, Amalgam, Original, wunderschön, leidenschaftlich, kraftvoll»
MALI BLUES / „Mali Blues“ – so schlicht und einfach wird Boubacar Traorés Musik manchmal beschrieben. Ohne Zweifel ist Boubacar eine Ikone, eine Legende in Mali, doch seine Musik lediglich als Blues zu bezeichnen, trifft den Kern der Sache nicht genau. Seine akustische Version des Mali-Blues ist beeinflusst von lokalen Kassonké-Rhythmen, afrokubanischer Musik & amerikanischem Blues.
Diamant, Unikat, Amalgam, Original, wunderschön, leidenschaftlich, kraftvoll – so wird Boubacar Traoré und seine Musik oft beschrieben. Es ist die Authentizität seiner ergreifenden Stimme, mit der er die Ufer des Nigers mit dem des Mississippi vereint. Es sind seine Erfahrungen als Maurer und Bauer, seine Mühen als alleinerziehender Vater und die Trauer um seine verstorbene Frau, die seine Lieder so unglaublich glaubhaft machen. Auf der Suche nach den Seelen dieser Songs ziehen Babah Koné (Kalebasse) und Vincent Bucher (Mundharmonika) mit „Kar Kar“ durch die Welt, von Bühne zu Bühne.
Boubacar «Kar Kar» Traoré – Gesang/Gitarre
Babah Koné – Kalebasse
Vincent Bucher – Bluesharp
Zur Musik von Boubacar «Kar Kar» Traoré tanzte ganz Mali, als in London die Rolling Stones noch als Coverband auftraten. Kar Kar hatte mit «Mali Twist» und «Kar Kar Madison» landesweite Hits, als Keith Richards das Riff zu «Satisfaction» noch gar nicht geträumt hatte. Doch es gibt eine Gemeinsamkeit: Auch Boubacar «Kar Kar» ist nach wie vor auf Tour.
Boubacar Traoré führt ein Musikerleben in einer Zeitschlaufe. Für viele Malierinnen und Malier ist er heute mehr Legende als Zeitgenosse. Obschon gerade die Jugend ihn in dieser Zeit wiederentdeckt. Für uns in Europa blieb er ein Musicians Musician. Das änderte auch sein Auftritt an der WOMEX nicht im grossen Stil. Wobei gerade ein Konzertbesuch zeigt – und da sind wir wieder beim Vergleich mit den Rolling Stones – Kar Kar ist ein Live-Musiker!
Begleitet wird der Blues-Mann aus Kayes im Westen von Mali von langjährigen Weggefährten. Mit dem Kalebasse-Spieler Babah Koné hat er einen jungen Musiker gefunden, der ihm nun schon seit Mitte des letzten Jahrzents zur Seite steht. Die Freundschaft mit Vincent Bucher, dem Mann mit der Blues-Mundharmonika aus Paris, begann vor dreissig Jahren an einem Bluesfestival im kanadischen Toronto. Es ist dieses Trio, das den Gesamtsound definiert.
Musiker, Bauer, Weltenbürger
Es ist eine unaufgeregte Sicht auf die Welt, welche die Songs von Traoré ausmachen. Dazu kommt die ungebrochene Lust am Musizieren, an der Bühne, am Austausch mit dem Publikum. Er schreibt seine Songs weniger im Gewusel der Stadt, sondern auf den Feldern seines Bauernbetriebs. Alles ist gewachsen, wie eben auch Pflanzen wachsen, ist aufgehoben in seiner Zeit. Die Kalebasse bringt mit ihren atmenden Rhythmen Leben in die Lieder, ohne antreiben zu wollen oder zu müssen. Die Mundharmonika von Vincent Bucher ist ein partnerschaftlicher Dialog-Partner.
«Musik hat viel mit Resonanz zu tun», sagt Bucher, «Du kannst neue Spieltechniken lernen, aber dein Publikum wird nicht durch Virtuosität allein begeistert. Resonanz mit einem Song, einem Stil oder mit anderen Musikern aber bringt dich dazu, neue Techniken erlernen, damit du diese Resonanz zum Klingen bringen kannst.» Auf diese Weise hat der Harmonikaspieler seinen ganz eigenen Bluesstil entwickelt, immer auf der Suche nach der Musik zwischen den Tönen, nach der Seele des Songs. Das passt bestens zu Boubacar Traorés Gitarrensound, den er den Koraklängen der heimatlichen Griots abgelauscht hat.
Ein Leben als Fundus
In seiner Heimat kennen Traoré alle als « Kar Kar », weil er als Jugendlicher auf dem Fussballfeld ein grosser Ballkünstler war, und «kari kari» «dribbeln, dribbeln» heisst. Berühmt wurde er in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts aber nicht als Fussballer, sondern als die malische Ausgabe von Chuck Berry oder Elvis Presley, inkl. Lederjacke und allem Drum und Dran. Er war in den Jahren nach der Unabhängigkeit eine Ikone des Aufbruchs. Doch als Musiker konnte er nie genug verdienen, um seine wachsende Familie durchzubringen, wurde nach dem Putsch 1968 aus dem Radio verbannt und Kar Kar kehrte in seine Heimat Kayes zurück, wurde Bauer und Schneider.
Als in den späten 80ziger Jahren das Fernsehen nach Bamako kam, holten ihn die Redakteure zurück in die Hauptstadt. Alles schien gut zu gehen, doch dann knickte ihm mit dem Tod seiner über alles geliebten Frau Pierrette der Sinn des Lebens weg. Er zog nach Frankreich, arbeitete als Handwerker, als Maurer. Abends spielte und sang er für seine Landsleute in den Immigranten-Treffpunkten. Seine Lieder aus den 90er Jahren sind voller Wehmut und Trauer um Pierrette.
Eine neue, jüngere Generation von Zuhörern begann sich für seine melancholischen aber ehrlichen Lieder zu begeistern. Eine Kassette fand den Weg in die Hände eines Produzenten. Das war der Anfang einer stillen, aber stetigen internationalen Karriere. Heute, wieder glücklich verheiratet, hat Kar Kar die Melancholie etwas weggeschoben, eine neue Zuversicht tönt aus seiner Musik.
Nach dem Tod von Ali Farka Touré oder Lobi Traoré ist Kar Kar der letzte grosse Bluessänger der älteren Generation Malis. In den vergangenen zwei Jahrzehnten führten diverse Tourneen Boubacar Traoré mehrmals um die Welt. Hier entstanden Freundschaften mit Cedric Watson und der Welt des Cajun, mit Corey Harris und Leyla McCalla, mit der aktuellen Roots- und politisch engagierten Songwriter-Szene Amerikas. Beleg für diese gewachsenen Freundschaften ist die letzte im Westen erschienene Produktion « Dounia Tabolo » (2017).
In der leidigen Zeit, in der Tourneen nicht möglich waren, setzte er sich mit jungen Musikern Malis zusammen, die mit ihm einige seiner Chansons einspielten. Dabei verwendeten sie traditionelle Instrumente wie Kalebasse, Baara, Doum Doum, Kamalen N’Goni, Djeli N’Goni. Daraus ist die CD « Tiékoro Ba Diougou » entstanden, die von Hambe Production, Segou (Mali) produziert wurde.
Jodok Kobelt