Am Anfang war eine Knelle. Zwei Jazz-Liebhaber haben darin ein reputiertes Jazzlokal etabliert. Daraus entstand der Verein gambrinus jazz plus. Nach zwei längeren, letztlich aber nicht befriedigenden Gastspielen in bestehenden Restaurants wurde die Idee eines festen Clubs aufgegeben. Seit 2012 versteht sich GJP als „stadtweiter Club“. Peter Hummel war fast sei Anbeginn dabei und hat die Gambrinus-Geschichte dokumentiert.
Gambrinus war zu Ende des Mittelalters ein germanischer König, dem die Erfindung des Bierbrauens zugeschrieben wir. Kunststück, gab es einst viele Wirtschaften, welche diesen Namen führten. Gewiss war dieser Biername auch passend für eine Jazzbeiz: Suzanne Bertényi und Hector «Gato» Zemma sel. haben das „Gambrinus“ im September 1995 als Jazzlokal eröffnet und dem Verein „Jazz neb de Landstross“ eine neue Bleibe gegeben.
Weil die Liegenschaft dem Einstein Kongresszentrum weichen muss, ist eine neue Lokalität und eine finanziell breitere Trägerschaft gefragt. Im Frühjahr 2004 wird der Verein „gambrinus jazz plus“ (gjp) gegründet und von der Wassergasse in den „Kastanienhof“ bei der Kreuzbleiche gewechselt, wo gjp Gastrecht geniesst. Das Lokal erweist sich als sehr stimmungsvoll, allein, die etwas periphere Lage lässt den Besucheraufmarsch zuweilen unter die Schmerzgrenze sinken, was auch den Wirt nicht sehr freut. Eine ganz neue Ausstrahlung erhofft man sich durch den grosszügigen Umbau, der aber jahrelang hinaus geschoben wird.
Vom Jazzlokal zum „stadtweiten Jazzclub“
Da scheint es ein Glücksfall, dass Jazzliebhaber Bert Haag die Möglichkeit bekommt, ein eigenes Lokal zu eröffnen und gjp als Musikpartner im Boot haben will. Gambrinus Jazz ist damit in doppeltem Sinne „back to the roots“: Die neue Lokalität in den Arkaden an der Gartenstrasse ist zum einen nur einen Steinwurf vom Ur-Gambrinus entfernt, und zum zweiten ist damit endlich wieder eine richtige „Heimat“ gefunden, was schon im Namen zum Ausdruck kommen sollte – Gambrinus Jazzclub. Mit der Eröffnung im November 2009 ist eine Programmausweitung möglich: zu den ungefähr wöchentlichen „grossen“ Konzerten gibt’s montags Auftritte der Hausband und jeden letzten Mittwoch Jamsessions. Doch divergierende künstlerische und kommerzielle Erwartungen und Interessen zwischen dem Verein (der wiederum nur Gastrecht geniesst) und dem Wirt führen schon nach einem Jahr zum vorzeitigen Ende der Partnerschaft.
Nach einem Jahr Denkpause entfaltet gjp seit Ende 2011 neue Aktivitäten in wechselnden Lokalitäten – gedacht als „Interregnum“ bis ein neuer Club gefunden ist. Mit dem Hauptpost-Keller eröffnet sich auch eine vielversprechende Perspektive; Pläne werden erstellt, die Finanzierung des Umbaus und der Einrichtung ist praktisch schon sichergestellt – allein, die fehlende Tragbarkeit der jährlichen Betriebskoten zwingen zu einem Übungsabbruch. Stattdessen werden die wechselnden Konzertorte zum Konzept erhoben: Gambrinus als „stadtweiter Jazzclub von St.Gallen“. In den bisherigen dreieinhalb Jahren wurden schon über 20 Lokalitäten bespielt: Kugl, Lok, Tartar, Palace, Ortsbürgerkeller, Pfalzkeller, Tonhalle, Klubschule, Stickerei, Roter Platz, Katharinensaal, Einsteinsaal, Weinlokal 1733, Offene Kirche, St.Laurenzenkirche, Blumenmarkt, Kulturfestival, Grabenhalle, The Irish Pub, Kaffeehaus, Klosterbistro oder das Bistro St.Gallen im Einstein. Auch wenn die logistische Herausforderung gross ist, glaubt gjp-Präsident Andreas B. Müller, dass sich der Mehraufwand lohnt: „Wir sind überzeugt, dass wir das Manko eines festen Clubs mit permanenter Ausstrahlung durch diese stadtweite Wahrnehmung mehr als wettmachen können“. Ist für Gambrinus ein fixes Lokal damit endgültig vom Tisch? „Wenn sich ein jazzaffiner Mäzen mit einem geeigneten Lokal meldet, sind wir sicherlich dabei“, lässt Müller durchblicken.
Philosophie und Wirken von gjp
Mit der Gründung des Vereins vor 16 Jahren verschrieb sich gambrinus jazz plus „der Pflege anspruchsvoller Musik aus verschiedenen Kulturen, insbesondere im Bereich des Jazz und artverwandter Musik“. Für die breite Stilvielfalt bürgt schon das Plus im Namen: Von Blues über Folk, Gipsy, World bis zu Poetry Slam hat unter diesem Label (fast) alles Platz. Für gewisse Genres wurden sogar eigene Serien initiiert: Klassik Plus (mit Mitgliedern des Symphonieorchesters), Piano Nights oder Voices.
Weitere Zwecke sind die Förderung junger Musiker und der Kulturaustausch inner- und ausserhalb der Region. Talentförderung hat gjp immer wieder mit speziellen Plattformen betrieben, etwa dem LabOhr im Kugl, den Jam-Sessions, der Mittwochsreihe in der Stickerei und nun „Live im 1733“. Eine hervorragende Vermittlerrolle konnte gjp mit dem vielbeachteten Newsletter wahrnehmen, der mit seinen redaktionellen Veranstaltungshinweisen für die Ostschweiz und das angrenzende Ausland zu einer eigentlichen überregionalen Jazzagenda avanciert war, im Sommer 2020 aus Kostengründen aber wieder redimensioniert wurde.
Seine gute Vernetzung beweist gjp seit Jahren mit Konzerten im Rahmen von Partnerschaften wie dem Bodensee-Festival, der Museumnacht, dem Kulturfestival oder dem Nationalen Nachwuchsfestival Suisse Diagonales.
Dass „Gambrinus“ in St. Gallen und der Ostschweiz zum Markenzeichen für exzellente Jazzkonzerte geworden ist, beweist eine kleine Aufzählung arrivierter Namen, die hier in den mehr als zwei Jahrzehnten gastierten: Richie Beirach, Lee Konitz, Benny Bailey, Red Holloway, Franco Ambrosetti, Irene Schweizer, Ed Neumeister, Tony Lakatos, Barbara Dennerlein, Michael Landau, Wolfgang Muthspiel, Marc Copland, John Abercrombie, Erika Stucky, Thierry Lang, Jacky Terrasson, Roman Schwaller, Philipp Fankhauser, Glenn Ferris, Frank Möbus, Marc Ribot, Jojo Meyer, Heiri Känzig, Marc Ribot, Oregon, Iiro Rantala, Raphael Wressnig, Nils Petter Molvaer, Paolo Fresu u.v.a.m.
Der Verein gjp zählt gegenwärtig rund 150 Mitglieder; der fünfköpfige Vereinsvorstand wird von Andreas B. Müller präsidiert.
Aktualisiert per 24. August 2020