Weniger Konzerte und ein geschärftes Profil: Der St.Galler Verein Gambrinus Jazz Plus richtet sich neu aus.

Bericht im Tagblatt vom 10.9.2020, Autor Urs-Peter Zwingli

«Jazz ist nicht Jazz», sagt Andreas B. Müller, Präsident des Vereins Gambrinus Jazz Plus. Müller ist aber kein Surrealist. Was er meint: Die musikalische Vielfalt im Jazz ist gross. So gross, dass der Vereinsvorstand zur Frage, welcher Jazzstil an Gambrinus-Konzerten vor allem Platz haben soll, seit Herbst 2019 lange Diskussionen geführt hat. Das Resultat: Der Jazzbassist Sandro Heule hat den ehemals sechsköpfigen Vorstand verlasen. Er arbeite mit weiteren Jazzmusikern daran, eine neue Konzertreihe zu lancieren, sagt Heule. Diese soll sich experimentellem Jazz sowie elektronischer Musik widmen. Müller und Heule betonen, dass man nicht im Streit auseinandergegangen sei. «Ich möchte mich einfach auf den Kreativjazz konzentrieren», sagt Heule. Spruchreif zum Projekt sei aber noch nichts.

Weltstars in intimem Rahmen
Konkret ist hingegen die Neuausrichtung, die der Verein Gambrinus Jazz Plus vornimmt. Der Betrieb wird auf ein Konzert mit lokalen Formationen am ersten Montag, sowie ein bis zwei Konzerte pro Monat mit internationalen Musikerinnen und Musikern reduziert. «Es geht schon auch darum, dass sich die Zuschauer auf weniger Konzerte konzentrieren, statt auf zu viele verteilen», sagt Müller. Zentral sei aber, dass der Verein sein musikalisches Profil schärfen wolle. «Wir haben in den vergangenen Jahren viel ausprobiert: Experimenteller Jazz im Palace oder im Exrex, klassischer Jazz im Einstein Bistro, dazwischen auch Abstecher in die Grabenhalle oder die Tonhalle und in Musikstile wie Funk oder Soul», sagt Müller. Dieses Pendeln zwischen Stilen und Auftrittsorten sei spannend, aber aufwendig und für die Zuschauer auch verwirrend gewesen. Mit dem aktuellen Programm besinnt sich Gambrinus örtlich auf seine Wurzeln: Die Konzerte finden mehrheitlich im Einstein statt, wo 1995 im Lokal «Gambrinus» alles begann. Ganz sesshaft wird der Jazzklub aber nicht: Man wird auch einige Male im Kult-Bau im Linsebühl zu Gast sein.

Inhaltlich konzentriert sich das Programm auf die Rubriken «Local Cracks» und «Global Cats». Eines der lokalen Jazzgewächse ist etwa Claude Diallo, der im November im Einstein spielt. Zu Gast sind ausserdem die Innerrhoder Folk-Jazzsängerin Karin Streule oder die Band Way Back Home. In dieser spielen unter anderem die Gambrinus-Vorstandsmitglieder Pino Buoro und Roger Maurer mit. Das zeigt die Leidenschaft für Jazz, die im Vorstand herrscht. «Wir sind alle mit dem Herzen dabei und leisten viel Freiwilligenarbeit», sagt Müller.

Der Lockdown traf die Jazzszene hart
Bei den «Global Cats» kommt als Star der World Music die kapverdische Komponistin und Sängerin Carmen Souza im Dezember nach St.Gallen. «Wegen Corona haben im Bistro nur 60 bis 70 Gäste Platz. Internationale renommierte Musikerinnen und Musiker in diesem intimen Rahmen zu sehen, ist eine einmalige Chance», sagt Müller. Und den New Yorker Jazzdrummer Billy Cobham kann man im Einstein-
Saal in vergleichsweise kleinem Rahmen sehen: Vor Corona bot der Saal 330 Personen Platz, aktuell noch 130. Daneben gibt es wegen Corona weitere Einschränkungen. Das Konzert des senegalesischen Gitarristen und Sängers Habib Koité musste wegen Einreisebeschränkungen abgesagt werden.

Durch den Lockdown ist der Jazzverein «mit einem hellblauen Auge» davon gekommen, wie Müller sagt. Zehn Konzerte wurden abgesagt, wobei Einnahmen aber auch Kosten wegfielen. Ein Gesuch um Unterstützung von einigen tausend Franken sei zudem beim kantonalen Amt für Kultur hängig. «Härter haben die Absagen die Ostschweizer Jazz-Künstlerinnen und -Künstler sowie die Soundtechniker getroffen. Viele von ihnen sind Freischaffende», sagt Müller. Zum Glück habe der Kanton mit Coronaentschädigungen
einiges abfedern können.

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